Unsere Gesellschaft entwickelt sich
hin zu mehr Globalisierung und Individualisierung.
Grenzüberschreitende Netzwerke in Arbeits-
und Sozialbeziehungen werden zukünftig wichtig.
Es stellt sich also nicht die Frage, ob virtuelle
Beziehungen gut oder schlecht für unser menschliches
Miteinander sind, sondern wie wir positiv davon
profitieren können.
Eine gezielte Förderung der Medienkompetenz
in den Bereichen E-Learning und virtuelle Zusammenarbeit
ist hierfür eine wichtige Voraussetzung.
Virtuelle Communities bieten das ideale Handlungs-
und Experimentierfeld. Spielerisch können
neue Kommunikationskanäle und Beziehungsmuster
eingeübt werden und Sozialkontakte entstehen.
Besonderheiten virtueller Beziehungen
Tatsache ist, dass die Online-Kommunikation neue
Möglichkeiten eröffnet. Wir können
Menschen virtuell treffen, die wir offline nie
kennen gelernt hätten. Wir haben Zugang zu
einem großen Pool von Expertenwissen und
Erfahrung. Egal wann wir ins Netz gehen, es ist
immer jemand erreichbar. Online-Kommunikation
beruht auf Gegenseitigkeit und ermöglicht
den Aufbau und die Gestaltung von Beziehungen,
wenn auch mit einigen Besonderheiten.
- Virtuelle Kontakte stützen sich vorwiegend
auf geschriebene Sprache. Text transportiert
keine Körpersprache. Es kommt häufiger
zu Missverständnissen aufgrund von unterschiedlichen
Interpretationen von Sender und Empfänger.
Kreativität in der Formulierung ist gefragt,
wie die Erfindung der Emotikons J zeigt. Oft
entwickelt sich ein eigener Jargon. Der schnelle
und formlose Sprachstil ist ein Vorteil bei
der Überwindung von Hierarchien und der
Begegnung auf gleicher Ebene.
- Community-Teilnehmerinnen treten häufig
anonym oder pseudonym auf. Die Person hinter
der Aussage wird schwerer greifbar. Auf der
anderen Seite bietet die Anonymität Schutz,
fördert die Öffnung gegenüber
anderen Menschen und das Ausprobieren neuer
Verhaltensmuster.
- Einige Systeme ermöglichen ihren Userinnen
mehrere Namen zu benutzen und verschiedene Identitäten
anzunehmen. Solche Rollenspiele können
viel Spaß bereiten. Nachteil: Die Hemmschwelle
für Beleidigungen und das Äußern
von radikalen Meinungen sinkt.
- Das Ein- und Austreten in eine virtuelle Gemeinschaft
ist durch wenige Klicks möglich. Kontakte
können per Tastendruck sofort abgebrochen
werden. Beziehungen werden unverbindlicher.
- Der Vorteil liegt in der Teilnahme unabhängig
von Ort und Zeit, auch für Menschen, die
sonst keine Möglichkeit haben, sich einer
Gruppe anzuschließen.
Der schnelle Kontakt - Chatten
Das Chatten ist zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung
der Deutschen geworden. Der Chat als geschriebenes
Gespräch kommt dem face-to-face Kontakt am
nächsten. Gechattet wird synchron, d.h. es
müssen gleichzeitig mehrere Userinnen online
sein. Aktion und Reaktion erfolgen unmittelbar
aufeinander.
Neben der schnellen Kontaktaufnahme fasziniert
das Spiel mit verschiedenen Identitäten.
Das kann ein Teilaspekt der eigenen Persönlichkeit
sein, wie die berufstätige Mutter, oder eine
erfundene Identität.
Die Themen der meisten Chats sind banal und bieten
im Idealfall eine angeregte Unterhaltung. Häufig
werden aus flüchtigen Chatflirts reale Beziehungen.
Nicht nur Jugendliche nutzen den Chat, auch für
Seniorinnen eröffnen sich neue Möglichkeiten,
endlich Gleichgesinnte und vielleicht auch einen
neuen Partner zu treffen. Zunehmend nutzen Wissenschaftlerinnen,
Politikerinnen und Dienstleisterinnen dieses Kommunikationsmedium
zur Steigerung ihres Bekanntheitsgrades oder der
Verbreitung bestimmter Meinungen.
Eine neues Potenzial eröffnet der Chat im
Bereich der kirchlichen Seelsorge und der psychologischen
Beratung. Die Anonymität des Kontaktes erleichtert
die Selbstöffnung der Ratsuchenden.
Gut beraten im Netz - der Austausch im Forum
Wer sich an Diskussionen zu speziellen Themen
beteiligen will, wird häufig in ein Forum
geführt. Die Kommunikation läuft asynchron,
Aktion und Reaktion erfolgen zeitversetzt.
Die Beiträge per Mail und deren Antworten
werden aufgelistet, bleiben länger online
und können gezielt abgerufen werden. Ein
Archiv ermöglicht jeder Teilnehmerin auf
einen Pool von Erfahrungen und Wissen zurückgreifen.
Foren werden zum Erfahrungsaustausch genutzt,
zur Einholung von fachlichem Rat oder für
Hilfestellungen bei anstehenden Entscheidungen.
Das Forum lebt von der Qualität seiner Inhalte
und der Aktualität der Information. Deshalb
ist eine gute Organisation und Moderation erfolgsentscheidend.
Im Ton vergriffen - unzensierte Inhalte und Konflikte
in virtuellen Beziehungen
Wie in jeder Beziehung läuft in der virtuellen
Kommunikation nicht alles harmonisch. Communities
sehen sich häufig mit Problemen verbaler
Ausfälle, extremer Meinungen und schnell
eskalierender Konflikte konfrontiert. Grund hierfür
ist die fehlende Information über die Körpersprache
und Stimme. Es ist schwerer die Perspektive des
Gegenübers nachzuvollziehen. Die Folge sind
Fehlinterpretationen und der Rückgriff auf
Klischees. Das beschleunigt die Eskalation zum
Konflikt bis hin zum Beziehungsabbruch.
Diesem Problem kann entgegengewirkt werden. Professionelle
Moderatoren, Community-Guides oder Community-VIP`s
(aktive Stamm-Mitglieder) sorgen für zusätzliche
Strukturierung und Abstimmung in der Kommunikation.
Sie sind mit den Regeln und Verhaltensmustern
der Netzgemeinschaft vertraut, sind Ansprechpartnerinnen
für neue Mitglieder und greifen klärend
ein, wenn die Regeln verletzt werden.
Virtuelle Beziehungen sind kein Ersatz für
reale Beziehungen. Es ist wie mit allen Dingen
im Leben ... im Übermaß schädlich.
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