Als Marianne das erste Mal zum Taekwon-Do Unterricht
an der Münchner Volkshochschule ging, um
ein Schnuppertraining mitzumachen, hatte sie mit
ihren 35 Jahren noch nie so richtig Sport betrieben.
Angeblich sollte ja gerade diese Sportart für
alle Körper-Regionen ein ausgiebiges Workout
sein - genau das Richtige für jemanden, der
8-10 Stunden am Tag vor dem Bildschirm verbringt!
Zwar war sie seit über 2 Jahren Mitglied
in einem Fitness-Club, allerdings konnte sie sich
bisher höchstens alle zwei Wochen dazu aufraffen,
mal hinzugehen. Nun, es war an der Zeit, etwas
Neues auszuprobieren!
Was sie bei ihrem Schnuppertraining im Taekwon-Do
erlebte war nicht das, was sie vom Klischee des
Kampfsports erwartet hatte: Die Schüler waren
nicht etwa heißblütige Teenager, sondern
ganz unterschiedliche Leute zwischen 25 und 60
Jahren alt und zudem sehr aufgeschlossen - keine
Spur von Überheblichkeit - egal ob nun ein
weißer, grüner oder schwarzer Gürtel
um den Anzug gebunden war. Der Taekwon-Do Lehrer,
welcher das Training leitete, gab ihr Auskunft
über den Ablauf der Übungsstunde.
Das Training begann mit einer kurzen Meditation,
gefolgt von lockeren Übungen zum Aufwärmen
und intensivem Stretching der Oberkörper-
und Beinmuskulatur. Danach durfte Marianne kurz
pausieren und bei den Übungsformen, genannt
"Hyong", zusehen - ein faszinierender
Anblick, wie 20 Leute exakte Bewegungsabläufe
synchron vollzogen!
Nach den Übungsformen ging's für Marianne
ans Eingemachte und alle Gedanken an Büro
und Arbeit waren plötzlich wie weggeblasen.
Jeder bekam einen Partner, mit dem er die vom
Lehrer vorgeführten Übungen einstudierte:
Verschiedene Kick-Techniken, Armtechniken und
Kombinationen - Marianne fühlte sich wie
in einem Karate-Film, yeah! Die Übungen wurden
ohne Körperkontakt trainiert - was ein hohes
Maß an Kontrolle zur Konsequenz hat. Die
Fortgeschrittenen konnten eine Bewegung sogar
exakt 1 cm vorm Körper des Partners abstoppen!
Hatte sie eine Übung mal nicht verstanden,
erklärten ihre Übungspartner bereitwillig
die Bewegung - mit der verständnisvollen
Bemerkung, dass schließlich jeder von ihnen
irgendwann einmal angefangen habe.
Nach den Partnerübungen folgten mehrere
Selbstverteidigungs-Techniken - ebenfalls verschiedene
Bewegungsfolgen, die von den Schülern einstudiert
wurden. Danach war ihr wieder eine Pause gegönnt:
Der Freikampf stand auf dem Plan! Die fortgeschrittenen
Schüler taten sich paarweise zusammen - immer
zwei etwa gleich graduierte. Auf Kommando des
Lehrers ging es los: Die Partner versuchten, gegenseitig
"Treffer" zu landen - allerdings auch
wieder ohne Kontakt und mit großer Kontrolle.
Dabei wurde gelauert, blitzschnell agiert, reagiert
und taktiert; die Beine und Arme flogen nur so
um die Paare - ohne dass irgend jemand verletzt
wurde.
Und schon waren 1,5 Std. vorüber - na, das
ging ja richtig schnell! Was Marianne nach der
kurzen Abschluss-Meditation auffiel, war nicht
nur ein rundum gutes Körpergefühl, sondern
vor allem eine innere Gelassenheit, die sie plötzlich
erfüllte.
Vor vier Wochen legte Marianne übrigens
erfolgreich ihre Prüfung zum Blaugurt ab.
Taekwon-Do, sagt sie, hat nicht nur ihren Körper,
sondern auch ihr Selbstbewusstsein gestärkt.
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