"Wer will heute das Thema Frauenförderung
überhaupt noch hören?" Sehr kritisch
begann Sibylle Peters, Professorin an der Uni Magdeburg,
ihren Festvortrag zur Auftaktveranstaltung der dritten
Runde des Münchner Cross-Mentoring-Programms,
die im Mai diesen Jahres im Münchner Rathaus
stattfand. Die Zahlen, die sie vorstellte, waren
alles andere als optimistisch: In Großunternehmen
betrage der Anteil von Frauen in Führungspositionen
bis zu 10%, im produzierenden Gewerbe bis zu 14%.
Nicht mehr - obwohl es durchaus qualifizierte und
motivierte Frauen gäbe, die bereit seien, Verantwortung
zu tragen.
Eines der Konzepte, das diesem Defizit gegensteuern
soll, heißt Mentoring. In den letzten Jahren
hat es sich als effektives Personalentwicklungsprogramm
etabliert, wie von entsprechenden Koordinatoren
immer wieder bestätigt wird.
Die Zielgruppen sind sehr vielfältig: Nicht
nur Frauen in Wirtschaft, sondern auch in Politik,
Verwaltung, an Hochschulen, auch Existenzgründerinnen,
Frauen während der Phase des beruflichen
Wiedereinstieges, in einer Umbruch- oder Krisensituation
werden in speziellen Mentoring-Programmen angesprochen.
Was ist das Besondere an Mentoring?
Das Prinzip ist einfach: Eine erfahrene Mentorin
oder ein Mentor sichert einer in der Regel jüngeren
Frau (=Mentee) Unterstützung und Rat bei
der persönlichen und beruflichen Entwicklung
zu. Es wird ein fester Zeitrahmen vereinbart.
Meist sind die Programme auf sechs bis 15 Monate
begrenzt. Die Erfahrung von Nadja Tschirner, i-mento,
die seit vielen Jahren als Beraterin und Koordinatorin
entsprechende Programme begleitet, zeigt, dass
der Kontakt vielfach auch nach Ablauf eines offiziellen
Programms weiter bestehen bleibt.
Der Begriff Mentoring geht auf die griechische
Mythologie zurück. Odysseus bat seinen Freund
Mentor, einen griechischen Gelehrten, sich während
seiner Abwesenheit seines Sohnes anzunehmen. Der
Begriff Mentor wurde damit zum Synonym eines erfahrenen
Ratgebers, Freundes und verantwortungsbewussten
Beraters.
Damit ist schon die Beziehung zwischen MentorIn
und Mentee, auch Tandem genannt, gekennzeichnet.
Es handelt sich um eine sehr persönliche
und direkte Beziehung. "Es gibt kein Ideal-Tandem.
Entscheidend ist immer, was Mentorin oder Mentor
und Mentee miteinander bereden," erklärte
Nadja Tschirner. Und das sei immer den Tandems
selbst überlassen.
Die Unterstützung ist damit sehr individuell
und basiert auf dem persönlichen Wissen,
der Erfahrung und der Persönlichkeit der
Partner.
Ist Mentoring eine momentane Modeerscheinung?
"Mentoring ist absolut keine Modeerscheinung,
auch wenn es zur Zeit diesen Eindruck erweckt,"
betonte Sibylle Peters. Sie forderte gleichzeitig
aber ein Abrücken von zufälligen Einzelförderungen.
Werner Fröhlich, Sozialwissenschaftliches
Institut München, äußerte sich
während der Münchner Cross-Mentoring-Veranstaltung
ähnlich. Individuelle Erwartungen an Mentoring-Programme
würden seiner Meinung nach zwar gut erfüllt,
bei strukturellen Aspekten sei dies aber noch
nicht der Fall.
Mentoring-Programme werden sich zukünftig
weiterentwickeln müssen, wenn sie ein wirksames
Instrument zur Erhöhung des Frauenanteils
in Führungspositionen sein sollen.
Die Basis für den Erfolg ist das Matching.
In diesem sehr sensiblen Prozess werden für
jede Mentee eine Mentorin oder ein Mentor ausgewählt.
Ausführliche Fragebögen sollen sicherstellen,
dass die gegenseitigen Erwartungen und Wünsche,
aber auch die Persönlichkeiten von MentorIn
und Mentee zusammenpassen.
Es darf zwischen MentorIn und Mentee kein Konkurrenz-Verhältnis
und vor allem kein Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis
bestehen. Nur so kann eine vertrauensvolle Beziehung
aufgebaut werden, in der die Mentee auch Ängste
und Probleme ansprechen kann.
Cross-Mentoring ist eine spezielle Form des
Mentoring.
Bereits seit 2001 existiert zum Beispiel das Münchner
Cross-Mentoring-Programm (siehe
Interview mit Nadja Tschirner).
Bei diesen organisationsexternen Programmen arbeiten
MentorIn und Mentee nicht im gleichen Unternehmen
und zum Teil auch in anderen Branchen.
In den Tandems treffen damit ganz unterschiedliche
Erfahrungen aufeinander. Das ist, wie Beteiligte
betonen, für beide Seiten spannend, weil
sie einen Einblick in eine andere Unternehmens-
und insbesondere Führungskultur bekommen.
Bei organisationsinternen Programmen arbeiten
Mentorin und Mentee im gleichen Unternehmen. Der
Vorteil: Die Mentorin kennt das Unternehmen und
Arbeitsumfeld ihrer Mentee und kann ihr wichtige
Kontakte im Unternehmen vermitteln und sie in
interne Netzwerke einführen. Sie hat die
Möglichkeit, auch direkten Einfluss auf die
zukünftige Karriere der Mentee zu nehmen.
Wie Nadja Tschirner berichtete, kann aber gerade
dies für junge Frauen als psychologische
Bremse wirken. Viele Frauen hätten aufgrund
dieser Einflussmöglichkeiten der Mentorin
die Angst, sich zu öffnen und ihre persönlichen
Themen in einer Mentoring-Beziehung zu besprechen.
Völlig unbegründet, wie Nadja Tschirner,
betonte. Auch in internen Mentoring-Programmen
ist alles, was in den Tandems besprochen wird,
absolut vertraulich.
Berufliche Förderung bei Mentoring-Programmen
heißt nicht, im Sinne von Protektion einen
"Schützling" an die Hand zu nehmen.
Angestrebt wird vielmehr ein partnerschaftliches
Verhältnis.
Das Konzept Cross-Mentoring wirkt gerade in
dieser Hinsicht hilfreich. Ein Mentor des Münchner
Cross-Mentoring-Programms berichtete von seiner
automatischen Zurückhaltung und Vorsicht
in der Anfangsphase. Nicht nur weil die Mentorenrolle
neu war, sondern auch weil das Unternehmen und
das Arbeitsumfeld der Mentee erst kennen gelernt
werden musste. Es galt für ihn, zunächst
einmal zuzuhören. Grundsätzlich sei
dies eine der wichtigsten Aufgaben eines Mentors.
Unabhängig davon, ob es sich um ein internes
oder externes Programm handelt, beide Seiten,
Mentorin, Mentor und Mentee, profitieren von ihren
gemeinsamen Gesprächen.
Für die Unternehmen selbst ist Mentoring
mehr als nur Frauen- oder Nachwuchsförderung.
Langfristig kann es durch den Erfahrungsaustausch
und die Netzwerkbildung über Abteilungs-
und Generationsgrenzen hinweg ein wichtiges Instrument
zur Unternehmensentwicklung werden.
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