Im Mai ist mit einer offiziellen Auftaktveranstaltung
und Podiumsdiskussion im Münchner Rathaus die
dritte Runde von Cross-Mentoring München gestartet.
Ein Jahr lang werden 25 Mentees aus zehn Unternehmen
von einer Mentorin oder einem Mentor eines Partnerunternehmens
begleitet.
Frau Tschirner koordiniert zusammen mit ihrer
Partnerin von i-mento, Simone Schönfeld,
in Kooperation mit Nele Haasen auch die aktuelle
dritte Runde des Cross-Mentoring-Programms.
mediella: Wie ist
Ihre persönliche Bilanz nach zwei Jahren
Cross-Mentoring-Programm in München?
Nadja Tschirner:
Es ist sehr erfolgreich gelaufen. Dieses Jahr
sind drei weitere Unternehmen dazugekommen. Dass
Unternehmen auch in wirtschaftlich schlechten
Zeiten an diesem Thema festhalten, ist ein sehr
wichtiges Signal.
mediella: Laut
aktueller Einladung zur Auftaktveranstaltung ist
das Ziel des Münchner Cross-Mentoring-Programms,
den Anteil von Frauen in gehobenen Führungspositionen
zu erhöhen.
Nadja Tschirner:
Es kursiert immer die Meinung, dass das Programm
erfolgreich ist, wenn mehr Frauen in Führungspositionen
kommen. Aber den Unternehmen ist durchaus bewusst
- und das war vor wenigen Jahren beim Thema Mentoring
noch nicht der Fall - dass so etwas nicht in einem
Jahr erreicht werden kann.
Wir haben als Mentees Frauen mit erster Führungserfahrung
ausgewählt. Sie können sich zu den Themen
austauschen, die sie aktuell als Führungskraft
beschäftigen. Die Unternehmen möchten
die Frauen in diesen Positionen festigen, ihnen
einen Einblick darin geben, was es heißt,
eine höhere Führungsposition einzunehmen.
Frauen werden motiviert und sehen neue Perspektiven
für sich.
mediella: Die
Unternehmen erwarten sich auch einen Imagegewinn.
Nadja Tschirner:
Große Konzerne sind auf internationale Kapitalmärkte
angewiesen. Besonders für US-börsennotierte
Unternehmen sind Fragen wie "Was macht ihr
für Frauen?" wichtig. Themen wie Diversity
werden auch auf Hauptversammlungen diskutiert.
Der Einfluss der weiblichen Anleger ist nicht
zu unterschätzen.
Ein weiterer Punkt: Die Zahl der weiblichen Absolventinnen
steigt, aber die Einstellungszahlen sind trotzdem
rückläufig. Technisch orientierte Unternehmen
brauchen qualifiziertes Personal.
Die Motive, warum sich Unternehmen an solchen
Programmen beteiligen, sind individuell unterschiedlich.
Wichtig ist, welche Signale im Unternehmen gesetzt
werden.
Es muss ein Bewusstsein entstehen "wir brauchen
mehr Frauen in den Entscheidungspositionen",
um auch Kundinnen am Markt besser zu erreichen.
Eine Ingenieurin meinte kürzlich, wenn Frauen
Handys entwickeln würden, sähen diese
ganz anders aus.
mediella: Im Zusammenhang
mit Frauenförderung fiel in der Podiumsdiskussion
das Wort "Kriseninterventionsprogramm für
Frauen". Sabina Schmitz, Mentee und Teilnehmerin
der Podiumsdiskussion sagte, sie sei anfangs nicht
so begeistert gewesen, für das Programm auserwählt
worden zu sein: "Frauenförderung ist
etwas negativ besetzt." Auch später
habe sie das nur in ihrem eigenen Team kommuniziert.
Ist Cross-Mentoring nur Einzelförderung?
Wie kann ein solches Programm Kreise ziehen und
auch andere Frauen davon profitieren lassen? Hat
es überhaupt eine Chance, langfristig etwas
zu bewirken?
Nadja Tschirner:
Es lässt sich nicht vor und nach einem Programm
messen, wie viele Frauen in Führungspositionen
sitzen. Erfahrungen anderer Programme und Länder
zeigen eindeutig, dass Mentoring langfristig dazu
beitragen kann, auf die Kompetenzen weiblicher
Nachwuchsführungskräfte aufmerksam zu
machen.
Damit auch andere Frauen von Mentoring profitieren
können, ist es wichtig, dass die Erfahrungen
mit den Programmen offen kommuniziert werden,
sowohl in den Unternehmen als auch in der Öffentlichkeit.
Der Fall der einen Mentee, die noch ein Problem
damit hat, sich zu outen, aber trotzdem in einer
öffentlichen Veranstaltung auf dem Podium
sitzt, zeigt die Ambivalenz, die viele Frauen
haben. Sie sehen einerseits die große Chance,
in einem solchen Programm teilzunehmen. Es ist
für sie eine enorme persönliche Entwicklung.
Gleichzeitig sehen sie, die Strukturen ändern
sich nicht so schnell. Dies ist sicher ein Problem,
mit dem die Frauen konfrontiert werden.
mediella: Joachim
Schulze, Mentor aus der letzten Runde, betonte,
dass sich erst in den Köpfen der vorwiegend
männlichen Führungskräfte etwas
ändern müsse. Wie ändert man das?
Nadja Tschirner:
Nur langfristig. Nur dadurch, dass einige die
schon ein anderes Bewusstsein haben, sich damit
outen. Und diese Möglichkeit bietet dieses
Mentoring-Programm. Das ist langfristig auch unsere
Hoffnung.
Wenn sich eine Führungskraft, wie Herr Schulze,
aufs Podium setzt und sagt, dass er persönlich
vom Mentoring-Jahr profitiert hat und nun auch
die Probleme besser erkennt, die Frauen im Unternehmen
haben. Wenn Männer sagen, Frauenförderung
ist wichtig, hat dies noch einmal einen ganz anderen
Stellenwert, als wenn Frauen dies sagen.
Das führt dazu, dass sich auch langfristig
in den Unternehmen etwas ändern kann.
mediella: Im aktuellen
Cross-Mentoring-Programm sind nur Großunternehmen
aus dem Münchner Raum beteiligt. Gibt es
ein Programm für den Mittelstand?
Nadja Tschirner:
Das wird diskutiert. Für uns ist es sinnvoll,
Cross-Mentoring einzuführen, wenn Mentoring
nicht das einzige Programm zur Frauenförderung
im Unternehmen ist. Sonst ist es der berühmte
Tropfen auf den heißen Stein.
Aber wir denken über ein Programm für
den Mittelstand nach. Das muss aber anders gestrickt
sein.
mediella: Wir
sind gespannt. Vielen Dank für das Gespräch.
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