Nicht immer ist, wo "Roman" draufsteht
auch Roman drin. Das, was sich hier auf 159 Seiten
ausbreitet, ist eher eine Erzählung, oder
noch besser ein poetischer Bericht aus dem Terrarium
der Moderne, in dessen Zentrum ein junger Mensch
steht, der sich Puck nennt. Um Missverständnissen
vorzubeugen: Es besteht keinerlei Ähnlichkeit
mit seinem Namensvetter aus dem Mittsommernachtstraum.
Dazu fehlt es ihm an Leichtigkeit und Witz. Anstatt
anderen Ärger zu bereiten, hat sich dieser
Puck die vermaledeiten Liebestropfen sozusagen
selbst eingeflößt durch übermäßigen
Filmkonsum und leidet nun unter unerwiderter Liebe
zu einem Mädchen namens Gwen. Wenn er also
auch kein Shakespearescher Puck ist, so doch eine
Art Goethescher Werther im Zustand postmoderner
Zerzaustheit. Und so hält Puck zu Anfang
auch kurze Zwiesprache mit Johann Wolfgang in
der U-Bahn. Aber wie so vieles andere kommt ihm
während der Erzählung auch der Dichter
abhanden.
Puck ist eine verkrachte Studentenexistenz, ein
labiler junger Mann, der in seiner Weltwahrnehmung
zwischen poetisch scharfer Wachheit und mediengeprägten
Verzerrungen schwankt und in seiner Unbeholfenheit
so liebenswert wirkt, dass man ihm am liebsten
aufmunternd durch die Wuschelfrisur fahren möchte.
Nichts wirklich Außergewöhnliches,
das ihn aus dem modernen Normleben hinauskatapultieren
würde, wird hier erzählt, sondern ganz
alltägliche Szenen, die ihren Reiz nur durch
die Sichtweise Pucks erhalten, eine Sichtweise,
die so unschuldig und gleichzeitig so verseucht
ist, wie man sie wohl nur bei jungen Menschen
unserer Zeit findet. Und so sind die szenischen
Wahrnehmungsbilder auch unterlegt mit der Musik
der Jugend, dem Rhythmus, in dem das Blut in den
hoffnungsvollen jungen Schädeln pocht.
Dieses Buch ist ein junges Buch für junge
Leser und solche, die sich einen jungen Blick
erhalten haben oder doch zumindest die Erinnerung
an diese Intensität des Sehens und Empfindens,
die leider immer nur allzu schnell im Laufe der
Zeit einstaubt und dem Vergessen anheim fällt.
In "Rocktage" besitzt die Welt die poppigen
Farben und Töne einer jungen Poesie, die
sich von existentiellen Fragen noch nicht gänzlich
abgewandt hat.
Puck schlurft durch die Kulissen einer zigmal
durchgekauten Welt und in seinem Leben wimmelt
es von Déja-vu-Erlebnissen und Filmdialogen.
Doch auch die Banalität und Abgegriffenheit
des postmodernen Lebens können die erschütternde
Gebrochenheit der menschlichen Existenz nicht
völlig vergessen machen. Darüber helfen
auch die zahlreichen "Continuity-Fehler"
nicht hinweg, die diesen jungen Verdichter des
Wahrgenommenen als einen ganz normalen Bewusstseinsverbrecher
outen, der nicht selten im Grübeln die Verbindung
zur Welt um sich herum verliert und in seiner
Erinnerung schwarze Löcher entdecken muss.
Ja, eine gewisse Verlorenheit zeichnet diesen
modernen Romantiker aus, der nicht von einer Liebe
lassen kann, die letztendlich nur ein von ihm
selbst erfundener Plot ist, ein Flop. Thematisiert
wird hier auch der alte Konflikt von Innenwelt
und Außenwelt, von Ideal und Realität,
der ein Kennzeichen der Jugend ist, eine Art geistige
Pubertät, die durchlitten werden muss.
Es ist besonders die Sprache, die dieses Buch
zu einem jungen Buch macht. Der Text ist eine
Art "Poesie-Comic", der seine Bilder
mit Worten zeichnet und dabei einen ganz eigenen
unprätentiösen und erfrischenden Ton
anschlägt.
Dana Bönisch ist eine Entdeckung, von der
man sich noch einiges erhoffen kann. Ihre Erzählung
"Rocktage" beweist, dass der sogenannten
Pop-Literatur etwas mehr Tiefgang ausgesprochen
gut bekommt.
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